Wahlhearing 2021: Leipziger Bundestagskandidaten auf den Zahn gefühlt

Was planen die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien künftig in den Bereichen Wohnen, Bauen und Stadtentwicklung? Wie stehen sie zu Mietpreisdeckel, Milieuschutzgebieten und wachsenden Klimaschutzanforderungen? Um diese und weitere Fragen zu klären, hatte IMMOCOM am 6. September 2021 sechs Leipziger Direktkandidaten in die Obere Wandelhalle des Neuen Rathauses eingeladen, damit sie den Vertretern der Leipziger Immobilien- und Wohnungswirtschaft ihre Positionen darlegen – und zugleich aus erster Hand erfahren, wo der Branche der Schuh drückt.

Der Einladung gefolgt waren:

Nadja Sthamer (SPD),
Jessica Heller (CDU),
Sven Morlok (FDP),
Sören Pellmann (Die Linke),
Siegbert Droese (AfD) und
Norman Volger (Bündnis 90/Die Grünen).

Die Initiative zu dem Wahlhearing ging von den BFW-Stadtgestaltern im BFW Landesverband Mitteldeutschland e. V. aus. Mitveranstalter waren der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG), die Plattform Leipziger Wohnungsgenossenschaften, die Wohnungsbau-Genossenschaft Kontakt e.G., der Leipziger Fachkreis Gewerbeimmobilien sowie Haus & Grund Sachsen.

Das IMMOCOM-Wahlhearing fand in der Oberen Wandelhalle des Neuen Rathauses statt.

Nach kurzer Begrüßung durch IMMOCOM-Geschäftsführer Michael Rücker wurden unter der bewährten Gesprächsleitung des Berliner Wirtschaftsjournalisten Christian Hunziker schnell die unterschiedlichen Sichtweisen der Parteienvertreter deutlich. So beispielsweise, als der Moderator die Kandidaten bat, jeweils nur mit „Ja“ oder „Nein“ auf die Frage zu antworten, ob Leipzig einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild brauche.

Von der Seite des Podiums, wo Sören Pellmann, Norman Volger und Nadja Sthamer Platz genommen hatten, kam dazu ein „Ja“. Dagegen votierten Jessica Heller, Siegbert Droese und Sven Morlok ebenso deutlich mit „Nein“. Nicht mehr ganz so klar war die politische Positionierung bei der Frage, ob Leipzig schon jetzt einen angespannten Wohnungsmarkt habe – eine knappe Mehrheit bejahte dies.

Kontrovers diskutiert wurde ebenso über Sinn und Nutzen der Einrichtung von Milieuschutzgebieten. Ganz konkret: Wo beginnen Luxussanierungen beziehungsweise wo verhindern soziale Erhaltungssatzungen beispielsweise den Einbau von Personenaufzügen oder Video-Gegensprechanlagen? Dinge, die vor allem älteren Mietern zugutekommen würden und von diesen auch gewünscht werden, wie einige Kandidaten bemerkten.

Als es um den Beitrag der Immobilienwirtschaft zum Klimaschutz ging, wurden erneut die unterschiedlichen politischen Standpunkte deutlich. Sind acht Prozent Kostenumlage auf die Mieter nach energetischer Modernisierung angemessen oder zu viel? Wer soll den seit diesem Jahr geltenden Heizkosten-Aufschlag durch den CO2-Preis tragen – allein die Mieter, da sie durch ihr Heizverhalten unmittelbaren Einfluss auf den Energieverbrauch haben, oder gleichfalls die Vermieter, um sie zu Energiespar-Investitionen anzuregen? Hier schimmerte kurzzeitig der Berliner Koalitionsstreit dieses Sommers durch.

Nachdem die Podiumsteilnehmer eine reichliche Stunde lang ihre Standpunkte ausgetauscht hatten, nutzten die anwesenden Branchenvertreter die Gelegenheit, den Politikern einiges mit auf den Weg zu geben. So warnte Mirjam Luserke, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V., mit Blick auf den Mietpreisdeckel davor, dass dieser letzten Endes jene Vermieter bestrafe, die sich in der Vergangenheit sozial verhalten hätten. Ins selbe Horn stieß Ronald Linke, Vorsitzender von Haus & Grund Leipzig: „Wer vor zehn oder zwanzig Jahren teils erhebliche Geldbeträge für eine Immobilie in die Hand genommen hat, muss diese Investition refinanzieren können. Der Mietpreisdeckel macht aber jede vernünftige Kalkulation unmöglich.“

Und Dr. Ingo Seidemann, Geschäftsführer der S&G Development GmbH, plädierte beim Wahlhearing 2021 generell für einen „vorurteils- und ideologiefreien Umgang“ mit der Branche: „Wir sind nicht das Problem, sondern Bestandteil von Lösungen, bei deren Erarbeitung wir uns als Partner im Dialog verstehen.“

Nachdem in den gut anderthalb Stunden schon viele Themen angesprochen wurden, blieb anschließend noch genug Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen und das eine oder andere im persönlichen Gespräch zu vertiefen – sodass am Ende für so manchen Teilnehmer 20 Tage vor dem Wahltermin vielleicht etwas klarer geworden sein dürfte, wo er am 26. September sein „Kreuzchen“ setzen wird.

Foto: © Jörn Glasner/IMMOCOM